
Aus dem mexikanischen Spanisch von
Birgit Weilguny
Auf der Hotlist 2023 und der Shortlist des Internationalen Literaturpreises!
Empfohlen von der 59. Litprom-Bestenliste »Weltempfänger« und »Bayerns beste Independent Bücher 2023«
Lässt sich eine Affäre geometrisch darstellen? Eine Familie zeichnen? Können Baumringe von verschwundenen Müttern und Paralleluniversen erzählen? »Leere Menge« ist ein Versuch, mit der Erfahrung von Verlust umzugehen sowie Beziehungen, Verhältnisse und Situationen in Zeichnungen und Diagrammen zu erfassen, wenn Worte nicht ausreichen.
Nach ihrer Trennung von Tordo kehrt Verónica in die Wohnung ihrer Mutter zurück. Dort erkundet sie die Leere, Einsamkeit und Ungewissheit, die ihre Mutter hinterließ, nachdem diese vor Jahren verschwunden ist. Zwischen verstaubten Möbeln und Pflanzenskeletten sucht sie nach Gründen und versucht, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Während der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) flohen viele Menschen ins Exil, unter anderem nach Mexiko. So auch die Mutter der Protagonistin. Verónica Gerber Bicecci geht auf poetische Weise den Auswirkungen nach, die jenes Exil auf die mexikanische Gesellschaft, speziell auf die Kinder der argentinischen Exilanten, bis heute hat.
Verónica Gerber Bicecci
Verónica Gerber Bicecci, 1981 in Mexiko geboren, ist eine bildende Künstlerin, die schreibt. Ihre erste Arbeit am Übergang von Wort und Bild war Mudanza [Der Umzug] (2010), ein Essayband über Autor:innen, die bildende Künstler:innen geworden sind. Diese Perspektive vertieft sie in ihren Arbeiten für Museen und Galerien als auch in ihren Büchern. So zum Beispiel in der Einzelausstellung Descalzos los pies, los campos en ellos, sentiré al acreedor de la tierra en mis palmas desnudas [Mit bloßen Füßen, den Feldern darauf, werde ich den Gläubiger der Erde auf meinen nackten Sohlen spüren] (2021) in der Galerie Proyectos Monclova in Mexiko-Stadt und in La tierra es plana como una hoja (y cabalga en el aire) [Die Erde ist so flach wie ein Blatt (und reitet durch die Lüfte)] (2021, Gato Negro Ediciones). Sie war Herausgeberin bei Tumbona Ediciones, einem Verlag mit einem Programm zu zeitgenössischer Kunst und Philosophie. Derzeit unterrichtet sie bei SOMA, einer Einrichtung für kulturellen Austausch und Kunstpädagogik, und wurde in das Sistema Nacional de Creadores de Arte des mexikanischen Kunstförderungsfonds (FONCA) aufgenommen. veronicagerberbicecci.net.
Übersetzerin
Birgit Weilguny (*1980) übersetzt aus dem Spanischen und Katalanischen für Film, Bühne, Lyrikfestivals, Lesungen und Zeitschriften sowie Sachbücher und Romane und dolmetscht bei Kulturveranstaltungen. 2012–2014 unterrichtete sie am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien; 2016–2018 organisierte sie Lesungen für das Mexikanische Kulturinstitut in Wien. Im MaroVerlag erschienen in ihrer Übersetzung die Romane »Única blickt aufs Meer« von Fernando Contreras Castro und »Leere Menge« von Verónica Gerber Bicecci. literatur-uebersetzen.wien
Presse
»Dieser Roman sprüht vor nur so vor Einfallsreichtum und man muss wohl sagen, sprengt die Form Buch überhaupt. Es ist eine Geschichte über das Entlieben, in der die Autorin nichts weniger versucht hat, als die Relativitätstheorie anzuwenden, um so etwas Elementares, so Komplexes wie Verlust begreiflich zu machen.«
»Beim ersten Blättern in ihrem Buch fallen sofort die Grafiken auf, Zeichnungen von Kreisen und geometrischen Figuren, die in großer Zahl in den Text gestreut sind. Sie illustrieren die Beziehungen und Nicht-Beziehungen zwischen den Charakteren. Sie bilden Schnittmengen ab und zugleich die in den gezeichneten Ringen offenbar werdende Leere, die trotz aller versuchten Nähe bestehen bleibt.«
»›Leere Menge‹ ist ein gewagtes – und gelungenes – literarisches Experiment. Ein autofiktionales Skizzenbuch im Wortsinn über die Traumata von Verlust, Vertreibung und Exil und den Schmerz der Zurückgelassenen.«
»Dieses Buch ist so viel mehr als ein Roman. Wir erleben eine nachvollziehbare und berührende Geschichte über Liebe und Verlust – allerdings außerhalb aller Erzählschemata. Es beginnt eine Reise durch ein Leben, in dem die Zeit außer Kraft gesetzt scheint, Geschehnisse werden außerhalb ihrer Chronologie begreifbar. Was durchaus einem wissenschaftlichen Ansatz folgt – die Mexikanerin Verónica Gerber Bicecci ließ sich bei ihren ersten Notizen von der Relativitätstheorie inspirieren – lässt sich dennoch ganz leicht als besonders fantasievolle Erzählung lesen. Eine, die man immer und immer wieder lesen möchte, weil man ahnt, dass sich in irgendeinem Winkel der Geschichte Verónicas, noch etwas verbirgt, für das sich eine erneute Zeitreise lohnt.«
»Das Geschehen für autobiographisch zu halten, liegt nah – und wird zugleich durch einen Kunstgriff gebrochen, der eine direkte Entsprechung in den graphischen Darstellungen findet. So ist ›Ich‹ zugleich ›Ich(I)‹ und damit sowohl Erzählerin als auch eine Variable, die prinzipiell alle ausfüllen können, die in der Lagesind, ›ich‹ zu sagen.«
»Es geht, ich versuche es mit meinen eigenen Worten, um die langanhaltenden Nachwirkungen eines Lebens in bzw. einer Flucht vor dem Militärregime in Argentinien (1976 –1983). Eine Flucht nach Mexiko, wo die nächste Generation im Exil, in der Fremde, in der Entfremdung aufwächt und zu Veronica, Ich(I), und ihrem Bruder(B) wird. Es geht um eine wie auch immer geartete Abwesenheit der Mutter. […] Es geht um eine Beziehungslosigkeit, die Veronicas Ich(I) nicht ermöglicht, dauerhaft in Beziehungen zu leben. […] Sie fängt immer wieder neu an. Und spürt eine Leere in sich. […] Ein großartiges Buch.«
»Wie sieht das schematisch aus, wenn einen der Partner verlässt, um anderswo anzudocken? Wie zwei Kreise mit Schnittmenge, in deren Nähe noch ein Einzelkreis schwebt, der aber noch zu den beiden verbundenen Kreisen hinstrebt? [...] ›Leere Menge‹ ist der Titel des [...] erschienenen Buches, das die Grenzen von Literatur, wie wir sie uns gemeinhin vorstellen, verschiebt. Die in Mexiko geborene Künstlerin Verónica Gerber Bicecci erweitert ihren Text durch kleine Zeichnungen [...]. In vielen Momenten gelingt ihr eine Verzauberung des Lebens, das sich eben nicht so einfach nur in Worte fassen lässt. So speziell und eigenartig ist die Idee hinter der Kunst von Bicecci, dass man als Verlegerin schon etwas Wagemut braucht, um zu erkennen, dass hier etwas aufgezeichnet ist, was auch Leser angeht, die die Erfahrung der argentinischen Diaspora im mexikanischen Exil nicht gemacht haben.«
»Ich hatte großen Spaß beim Entziffern der Diagramme und dem Entschlüsseln von Verónica Gerber Biceccis vielen sprachlichen Spielereien und Rätseln und denke immer noch über meine Interpretation einzelner Szenen und Motive nach, und genau so soll anspruchsvolle Literatur ja sein! Große Empfehlung!«
»Durch seine fragmentarische, alles andere als chronologische Erzählweise ist ›Leere Menge‹ kein klassischer Roman, sondern eine empathische, oftmals verblüffende, manchmal auch amüsante Meditation über verschiedene Arten von Verlusten und deren Konsequenzen. […] Gerber Bicecci verwendet eine nüchterne, präzise Sprache, durchzogen von einem subtilen trockenen Humor. Doch ist ›Leere Menge‹ keineswegs so autobiografisch, wie man vermuten könnte. Es gibt nicht nur Verweise auf die ›Verschwundenen‹ der argentinischen Militärdiktatur und die Erfahrungen des Exils (Verónicas Eltern flohen in den 70er-Jahren von Argentinien nach Mexiko), sondern auch auf Astronomie, Baumringdatierung und den rätselhaften Nachlass einer verstorbenen Schriftstellerin. Je komplexer die Zeichnungen werden, desto mehr beginnt auch der Text das Raum-Zeit-Kontinuum zu sprengen – ein bisschen wie das menschliche Gedächtnis, das keine geordnete Abfolge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennt.«
»Kurze Kapitel, Briefe und Einschübe werden immer wieder von Protokollen und Zeichnungen unterbrochen und ergänzt. So werden Leser*innen herausgefordert, ihr Zusammenspiel zu entschlüsseln, sich durch die Handlung zu arbeiten, hinter ihre Rätsel zu steigen. Dabei liest man mal schnell, mal langsam, brütet über dieser Zeichnung oder jener Formulierung – eine Abwechslung, die nur wenige Romane mit sich bringen. […] Was verwirrend klingen mag, geht im Leseprozess in beeindruckender Weise auf. Denn die Zeichnungen, Protokolle und Texte bilden ein in sich stimmiges Gesamtwerk, eine tiefdringende Reflexion über Einsamkeit, Exil, Verschwinden und Vergessen mit autobiografischen Zügen. […] Leee Menge bietet damit ein besonderes Erlebnis, das über gewohnte Leseerfahrungen hinausgeht.«
»I like to think of ›Empty Set‹ as an in situ installation in the field of literature.« Roselin Rodríguez
59. Litprom-Bestenliste »Weltempfänger«
Der Roman »Leere Menge« zählt zu den sieben Büchern, die die Jury auf der 59. Litprom-Bestenliste »Weltempfänger« empfiehlt. Der »Weltempfänger« nominiert vierteljährlich belletristische übersetzte Literaturen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt, um auf herausragende literarische Stimmen im deutschsprachigen Raum hinzuweisen.
Weltempfänger-Jurymitglied Timo Berger schreibt über den Roman:
»Wo der Hauptfigur Verónica die Worte ausgehen, greift sie zum Zeichenstift. In Diagrammen analysiert sie ihre Beziehungen, die von Verlust und Abwesenheit geprägt sind. Ein kluges, kurzweiliges Buch, das auch über eine Generation junger Mexikaner:innen spricht, deren Eltern einst als Exilant:innen ins Land kamen.«
Bayerns beste Independent Bücher 2023
Der Roman »Leere Menge« wurde von einer Jury auf die Empfehlungsliste »Bayerns beste Independent Bücher 2023« gewählt. Die Liste stellt zehn herausragende Neuerscheinungen aus unabhängigen Bayerischen Verlagen vor. Wir freuen uns sehr über die Würdigung.
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