Susanne Neuffer
Schnee von Teheran
Oder: Vom Verlassen des Geländes
Roman
Babette Kleinhempel ist eine Lehrerin, die lieber verschämt zugeben würde, Callgirl, Bestatterin oder Waffenhändlerin zu sein, als sich zu ihrer tatsächlichen Profession zu bekennen. Die einzige Gelegenheit, ihrem Beruf zu entkommen, sind die Großen Ferien. Sie bieten der Protagonistin den Raum für Bildungsreisen zu ihren familiären Wurzeln, zu den Quellen der körperlichen Arbeit, »richtiger Arbeit«, wie sie findet – im Bergwerk, in einer Gobelinmanufaktur, als Reinigungskraft in einem Pariser Hotel und nicht zuletzt in der Zuckerbäckerei des Exiliraners Reza.
Der Titel des Buches lädt zu Missverständnissen ein, denn es geht weder um Schnee noch um Skilaufen im Iran. »Schnee von Teheran« ist eine Süßspeise und für die Protagonistin materialisierter Wunsch, sich auf eine Reise zu begeben. Denn Babette Kleinhempel hat genug von ihrem Brotjob, an dessen skurrile Szenen sie sich unterwegs erinnert – Lehrerausflüge, Elternabende, Abiturbälle.
Ihr Aufbruch, ihr Verlassen des vertrauten Geländes – das der Untertitel untrüglich verrät –, ist teils irrlichterndes Roadmovie, in erster Linie aber eine gezielte Suche – nach Orten von »realer« Arbeit. Sie folgt einer zunächst unscharfen, aber langsam deutlicher werdenden Vorstellung davon, was als »richtige« Arbeit angesehen werden kann. Diese Arbeit sucht sie im Bergwerk, in einer Gobelinmanufaktur, als Reinigungskraft in einem Pariser Hotel und nicht zuletzt in der Zuckerbäckerei des Exiliraners Reza. Sie sucht überall dort, wo sie Sinn und Materialität vermutet. So ist es kein typisches Buch über einer Lehrerin, hat nicht zuletzt aber dennoch etwas von einem Bildungsroman – denn die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Lebensgeschichte und einer Welt, die auch ohne Babette Kleinhempel auskommen könnte, bleibt ihr nicht erspart.
Susanne Neuffer
Susanne Neuffer, 1951 in Nürnberg geboren, lebt in Hamburg und ist Mitglied des dortigen writers’ room. Für ihr literarisches Werk erhielt sie Literaturpreise, u. a. zeichnete sie 2021 die Akademie für das gesprochene Wort ihren Text »Topinambur oder Störung der Totenruhe« aus; ihr Gedicht »Im Reservat« wurde für die Ausstellung »Kosmos Lem« in Potsdam ausgewählt. Weiterhin erhielt sie den erostepost-Literaturpreis 2017, den Hamburger Förderpreis 2014 und den 2. Preis im MDR Kurzgeschichten-Wettbewerb 2011. Im Mai 2016 war sie Stipendiatin im Brechthaus in Svendborg. Im MaroVerlag sind bisher sechs Bücher von ihr erschienen: ein Gedichtband, drei Bände mit Erzählungen (davon einer vergriffen), ein Roman und zwei Novellen. Lyrik und Prosa von Susanne Neuffer wurde auch in Anthologien und Zeitschriften, u. a. in Stadtgelichter, erostepost, Hamburger ZIEGEL, Entwürfe und Manuskripte, abgedruckt. susanne-neuffer.de
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