Charles Bukowski · Dante Baby, das Inferno ist da! · 94 unzensierte Gedichte

Soeben ist ein neuer Gedichtband von Charles Bukowski bei uns erschienen. Hier finden Sie die Hintergründe der umfangreichen neuen Sammlung.

 Es gibt eine hohe Anzahl an Büchern von Charles Bukowski. Man möchte meinen, jede Schublade sei schon zweimal ausgeleert worden, um auch noch das letzte Papierchen zu finden, das von seiner Schreibmaschine berührt wurde. Wie kann es sein, dass 24 Jahre nach seinem Tod jetzt noch unveröffentlichtes Material erscheint?

 Bukowski war ein sehr produktiver Autor. Bevor seine Veröffentlichungen in der Black Sparrow Press ab Mitte der 70er Jahre für seinen Durchbruch sorgten, war sein Dasein als Schriftsteller frustrierend. Es war lange nicht bekannt, dass er bereits in den 50er und 60er Jahren systematisch Hunderte von Gedichten an Zeitschriften und kleine Magazine geschickt hatte. Eindeutige Hinweise darauf enthielten erst seine Briefe, die in den späten 90er Jahren publiziert wurden.

Abel Debritto, ein spanischer Fulbright-Stipendiat, machte sich auf die Suche nach diesem »verlorenen« Material. Für seine Doktorarbeit über den »King of the Underground« reiste er kreuz und quer durch die USA, um damalige Herausgeber von eben solchen Underground-Gazetten aufzuspüren. Er wurde fündig! Unbekannte Schätze – Manuskripte, Zeichnungen, Briefe und mehr – lagen bei Kindern oder Enkeln von ganz frühen Zeitschriftenverlegern auf dem Dachboden. Wie ein Detektiv trug Debritto zusammen, was immer er finden konnte. Jedes Zettelchen wurde sorgsam katalogisiert; schlussendlich füllte das Material viele Ordner.
Eine Auswahl aus diesem Material, die Abel Debritto kuratiert hat, ist nun in »Dante Baby, das Inferno ist da!« versammelt.

  Auf Eurer Website blinkt »Unzensiert«. Was hat es damit auf sich?

  »94 unzensierte Gedichte« ist der Untertitel von »Dante Baby, das Inferno ist da!« Diese Sammlung ist der erste posthume Gedichtband von Charles Bukowski, der nicht zensiert wurde.

Inzwischen ist es kein Geheimnis mehr, dass bei den Gedichtbänden, die nach seinem Tod in den USA publiziert wurden, textlich eingegriffen wurde: Bukowskis Gedichte wurden geschönt, verharmlost oder verstümmelt.

Nicht so in dieser Neuerscheinung. Hier wurden ausschließlich Übersetzungen von unzensierten Originaltexten aufgenommen. Es sind seltene und noch unbekannte Gedichte, die entweder einst in kleinen Underground-Zeitschriften erschienen sind oder noch nicht veröffentlicht wurden. Am Ende des Buches findet sich eine ausführliche Quellenliste, die anzeigt, wenn, wo das Gedicht bereits im Original erschienen ist.

Das Zensur-Argument war auch entscheidend, um Bukowskis Witwe als Lizenzgeberin von der Notwendigkeit eines neuen Gedichtbandes im originalen Wortlaut zu überzeugen.

  Was erwartet mich in diesem Band?

 Eine »bunte« Auswahl, könnte man sagen. Das jüngste Gedicht ist von 1991, das älteste von 1959. Es ist ein Einblick in die Vielschichtigkeit von Bukowskis Werk. Der schmutzige alte Mann trifft auf den süßen Liebenden; der betrunkene Lustmolch reicht dem nüchternen Philosophen die Hand. Dazu sehen wir deutlich Bukowskis Markenzeichen – klare Linien und prosaische Lyrik –, aber auch experimentelle Arbeiten, abseits der BUK-Klischees.

Zudem wurden Gedichte aufgenommen, die bisher verworfen wurden, weil sie als zu wild oder obszön galten. Es ist offensichtlich, dass Bukowski einige für ihre Schockwirkung geschrieben hat: Schwarzer Humor ist eine seiner Stärken.

Die eklektische Natur lässt diesen Band zu einer einzigartigen Sammlung im Bukowski-Kanon werden. Debritto ist es gelungen, die Essenz von Bukowskis unnachahmlichem poetischen Stil einzufangen: hartgesotten und urkomisch.

  Bukowski, Charles. Jeder kennt ihn. Aber wenn nicht – bitte mal die harten Fakten.

 Charles Bukowski war einer der bekanntesten zeitgenössischen Autoren aus den USA. Er wurde 1920 in Andernach als Sohn eines amerikanischen Soldaten und einer deutschen Mutter geboren. Im dritten Lebensjahr zogen seine Eltern mit ihm in die USA.

Mit 35 Jahren begann Bukowski zu schreiben, zuerst Gedichte für Underground-Gazetten, später Erzählungen, Romane und ein Drehbuch. Er veröffentlichte über 40 Prosa- und Lyrikbände. Im MaroVerlag wurde er erstmals 1974 auf Deutsch verlegt, bevor ihn die großen Verlage entdeckten. 1994 starb er in San Pedro, Kalifornien.

  Wird Bukowski heute nicht in großen Verlagshäusern herausgegeben?

 Doch durchaus, aber eben nicht alles! Vor allem zu Beginn nicht: 1974 begann Bukowskis Erfolg im deutschsprachigen Raum im MaroVerlag. Wir waren zudem immer daran interessiert, dass seine Gedichtbände lieferbar sind. Als vor einigen Jahren »Roter Mercedes« vergriffen war, konnten wir die Lizenz erwerben. Damals gab es sogar eine Überraschung: Wir entdeckten, dass in »Roter Mercedes« nur die Hälfte der Gedichte enthalten waren, die der Originalband »You get so alone at times that it just makes sense« enthielt. So haben wir »Alle reden zu viel« mit den »verlorenen« Gedichten herausgebracht. An der Sammlung »Dante Baby, das Inferno ist da!« zeigten wir wohl das größte Interesse. Wir freuen uns sehr, dass der neue Band bei uns erscheint!

Dante Baby, das Inferno ist da!

Charles Bukowski

Dante Baby, das Inferno ist da!

Deutsch von:
Esther Ghionda-Breger
Titel der Originalausgabe:
Storm for the Living and the Dead

978-3-87512-481-1
256 Seiten | Klappenbroschur
24 € (D) | 24,70 € (A)

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