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Ein Haufen Dollarscheine

Esther Dischereit

Ein Haufen Dollarscheine

Roman

312
Seiten
Umschlag von:
beate maria wörz
Hardcover
ISBN
978-3-87512-676-1
24,00 €
(brutto)

Traurig, empörend, unerhört und, wenn die Tante sich die klebrigen Kekse aus der Flug­hafenlounge in die Tasche stopft, auch ­komisch, wie Filmschnitte aus einem nicht geplanten Drehbuch. »Ein Haufen Dollarscheine« ist ein v­er­rück­tes Familien­szenario zwischen Berlin, ­Chicago, ­Heppenheim, Rom und wieder zurück.

Die Frau mit dem blumengemusterten Kleid erhebt sich end­­lich aus ihrem Bett. In der Hitze des Zimmers bleibt ihre Vergangenheit wie in Schwaden stehen: die Vergangenheit eines versteckten jüdischen Kindes. »Immer wieder taucht jemand auf und soll zu uns gehören«, murmelt ihre Schwester. Der Thanksgiving-Truthahn in Chicago verschluckt das Schwarze Amen ihres Mannes, der für die Kinder Palästinas um Frieden betet, während am anderen Ende des Tisches mit einem weißen Amen eine Danksagung an den amerikanischen Präsidenten gesprochen wird. Der nunmehr jüdisch-orthodox bekennende Sohn nennt seine Mutter Closet-Jew. Gojische Partner*innen der zweitverheirateten Überleben­den eignen sich deren »Wiedergutmachung« an, und schließlich weigert sich auch der russische Rabbiner, das Vorkriegsgrab in Berlin-Weißensee zurückzugeben.

Esther Dischereit

Esther Dischereit lebt in Berlin. Sie schreibt Prosa, Lyrik und Essays und ist Autorin von Theater- und Hörstücken. Mit »Joëmis Tisch. Eine jüdische Geschichte« und »Übungen ­jüdisch zu sein« wurde sie eine der wichtigsten literarischen Stimmen unter den Nachkommen der Shoa-Überlebenden in Deutschland. 2009 erhielt sie den Erich-Fried-Preis. Als Professorin lehrte sie an der Universität für angewandte Kunst in Wien, 2019 als DAAD Chair in Contemporary ­Poetics an der New York University.«


Presse

»Esther Dischereit beweist sich mal wieder als eine Meisterin der genauen Beobachtung. Mit brutaler Klarheit erzählt sie eindrücklich, was Deutsche lieber vergessen würden. Diese Geschichte ist eine Zumutung. Alle sollten sie lesen.«

»›Geleitet war ich von der Idee eines Hyperrealismus‹, sagt Esther Dischereit über das Szenario ihres neuen Romans ›Ein Haufen Dollarscheine‹. Eine Melange aus Dokumentation und Fiktion sei ihre Geschichte über das Drama der Nachkommen der Shoa.«

»›Ein Haufen Dollarscheine‹ heißt der scharf-kritische, extrem kluge und immer wieder absurd humorvolle, aber stets bitterernste Roman von Esther Dischereit. Ihren Roman lässt sie vor allem zwei Figuren im Wechsel erzählen. Eine Person namens Tante, in der man doch auch meint, immer wieder Züge von Esther Dischereit zu erkennen und deren Neffen. Der Neffe ist der Sohn der älteren Schwester der Erzählerin, die den Holocaust mit ihrer Mutter in Verstecken überlebt hat. Die beiden erzählen von den unterschiedlichsten Orten aus, sodass einem ganz schwindelig wird. Es geht von einer Militärparade in den USA nach Heppenheim, von Berlin nach Rom, von Nikaragua nach Chicago und da habe ich noch gar nichts von den noch verrückteren Familienverhältnissen erzählt. […] Esther Dischereits Roman ›Ein Haufen Dollarscheine‹ ist das Buch der Stunde zu den absurden Debatten um Antisemitismus, denn es erzählt von der Heuchelei, die sichtbar wird in Erbschleicherei und der behördlichen Verhinderung von sogenannten Wiedergutmachungszahlungen. Es erzählt aber auch von innerjüdischer Machtpolitik, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Eine Ansage dieses Buch und sehr konsequente, besondere Literatur.«

»Der Kitt der Story ist fortgesetztes Unrecht, mit den Zutaten nicht erfolgte Anerkennung von Zwangsarbeit, schlechtes Gewissen, das sich in Form von Dollarnoten anhäuft, Odysseen um Gebeine und nicht anerkannte Verwandtschaft für vor dem Krieg angelegte jüdische Bankdepots. […] Daraus spinnen sich in fiktionaler Autobiografie abgehackte Sequenzen aus der Familiengeschichte im rabenschwarzen Keller der deutschen Geschichte. […] Das diskursive Tauziehen um die richtige Jüdischkeit […] symbolisiert durch den Transit der Flughafenwartehalle. Die Namenlosigkeit der Erzählfiguren bringt eine Unschärfe mit sich, die erschüttert, weil sie keine Nähe zulässt. […] Umrahmt ist das Buch von Beschwichtigungsformeln aus dem Heute, das hässliche Gurgeln des fortgesetzten Nicht-Verstanden-Haben-Wollens und schlichter Empathieverweigerung.«

»Was [›Ein Haufen Dollarscheine‹] so spektakulär macht, ist Dischereits Umgang mit den Zeichen und Zusammenhängen. Erzählend bringt sie die ›Normalität‹ ins Schwanken. Eine Normalität, die ihre Figur einüben muss und hoffentlich nie lernt, denn es ist auch die Normalität, die Menschen wie ihre Schwester und Mutter auch nach dem Ende des Nationalsozialismus noch als ›Illegale‹ in den Akten führte. Esther Dischereit hat an die Stelle von Erklärungen nun mit diesem grandios intelligenten Roman die Darstellung der Verhältnisse selbst gesetzt: Fragmente einer Wirklichkeit, die so lose, viel- und nichtssagend zusammenhängen wie ein Haufen Dollarscheine, dessen Existenz eine Geschichte bezeugt, die nicht mal mehr zum Himmel schreit.«

»Ich sehe in diesem unglaublich reichen Buch eine jüdische Variante des Rubens’schen Engelsturzes. Menschen, Familien werden geteilt in Untergattungen, die sich selbst ständig verteidigen und, noch schlimmer, definieren müssen. Entweder steigen sie ans Licht empor, oder sie fallen schreiend ins Nichts, manchmal schreien sie sowieso, auch ohne Grund, was sie nicht tun sollten, sie sollen lieber leise sein, die Voll-, die Vaterjuden, die Halbjuden, die Vierteljuden, egal, wer auch immer sie sind, sie haben offenbar die Pflicht, für ihre eigene Existenz einzustehen, da es kein andrer tut: Wer sind wir, wer will uns? Früher hat man es uns gesagt, was wir dann am eigenen Leibe erleben mußten. Wer sagt es uns heute? Wollen wir nur einander, was unsere Abhängigkeit (und da geht es buchstäblich ans Leben!) von anderen, von der Mehrheit, auch wieder nur verstärkt? Das ist eine zusätzliche Last, die jüdischen Menschen aufgebürdet wird. Sie müssen sich immer für sich selbst rechtfertigen, weil es sonst die andern tun. Wer ist Befreier, wer Unterdrücker? Wer ist so liebenswürdig, daß er überhaupt leben darf? Wer ist liebenswürdig und darf trotzdem nicht leben? Oder am liebsten woanders? Irgendjemand wird sich das noch überlegen. Wer hier bleibt, wird Vorbild für Gedenkveranstaltungen, er muß sich dafür aber vorbildlich verhalten. Wer hat dann wieder die Zores? Das alles wird über die Menschen verhängt, und nicht nur von der Geschichte. Jüdische Menschen werden sozusagen immer auf ihren Anfang zurückbezogen, notfalls zurückgebogen, die sind immer so störrisch, und dann wieder vom Ende her auf jeden andren Tag, jedes andre Ereignis. Uns müssen sie gefallen, das ist am wichtigsten. Was ist aus ihnen geworden, wenn überhaupt etwas aus ihnen werden durfte? Das ist schwer zu (er)tragen. Dieses Buch ist schwer und leicht zugleich, das ist eine große Kunst.«

»Esther Dischereits Erzählung führt nicht nur assoziativ durch das dunkle 20. Jahrhundert, sondern auch von Berlin in die halbe Welt und wieder zurück. Gleichermaßen leichtfüßig wie erschütternd führt die Berliner Lyrikerin, Dramaturgin und Publizistin, halb dokumentarisch und halb fiktional, das Nachleben von Shoa-Überlebenden vor Augen, das das jüdische Leben bis heute weltweit prägt.«

»Diese Literatur ist herausfordernd, leicht, sehr humorvoll – ein kluger, ernster Roman, der enorm klar und doch nebulös ist. […] Die Erzählerin schreibt, sie findet es merkwürdig, dass sie zu berichten vermag, als wäre sie dabei gewesen. Sie wird zu einer Stellvertreterin mit unterschiedlichen Identitäten. Es sind Menschen, Familien, die zerrissen werden, die das Grauen erlebt und überlebt haben und sich weiterhin erklären und definieren müssen. […] In diesem Roman werden Geschichte und Geschichten geschrieben. Ein Sprung in die dunkle Zeit des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Last und die Prägung des jüdischen Lebens, die bis heute andauern, ziehen sich durch den ganzen Roman.«

»Absurd, traurig, tragikomisch, bizarr. […] Eine autofiktionale Geschichte, weder chronologisch noch linear erzählt. […] Es ist die Geschichte ihrer jüdischen Familie im weitesten Sinne, die Dischereit […] in einer polyphonen Weise aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. […] Es werden so viele thematische und auch biografische ›Splitter‹ im Roman aufgenommen und auch wieder fallengelassen, dass diese Erzählweise vielleicht als Ausdruck des Disparaten und der zerrissenen Biografien und Identitäten jüdischer Menschen nach der Shoah und in der Diaspora gelesen werden könnte. [›Ein Haufen Dollarscheine‹ enthält] viele starke Szenen, die eine Lektüre unbedingt lohnen.«


Lesungen

Esther Dischereit im Gespräch mit Christine Koschmieder im Literaturhaus Berlin über ihren neuen Roman »Ein Haufen Dollarscheine« am Dienstag, den 28. Januar 2025 um 19 Uhr.
Mehr Informationen zu Veranstaltung und Tickets finden Sie hier.

Li-Be in Moabit 
Alt-Moabit 62–63
10555 Berlin
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Esther Dischereit liest am Donnerstag, den 30. Januar 2025 um 19:30 Uhr im Literaturhaus Frankfurt.
Mehr Informationen zu Veranstaltung und Tickets finden Sie hier.

Literaturhaus Frankfurt
Schöne Aussicht 2
60311 Frankfurt am Main

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Am Samstag, den 1. März 2025 liest Esther Dischereit um 20 Uhr in der Alten Feuerwache Mannheim. Mehr Informationen zu Veranstaltung und Tickets finden Sie hier.

Alte Feuerwache Mannheim
Brückenstraße 2
68167 Mannheim

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Den Blogbeitrag mit weiteren Details zu den Lesungen finden Sie hier.

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