In diesem Jahr der letzte Gast

Susanne Neuffer

In diesem Jahr der letzte Gast

Erzählungen

168
Seiten
Umschlag von:
Yvonne Kuschel
Broschur
ISBN
978-3-87512-474-3
18,00 €
(brutto)

So unterschiedlich Susanne Neuffers Protagonisten sind, so sind sie alle versucht, durch ihren unsicher gewordenen Alltag zu kommen. Im Mittelpunkt der Geschichten stehen illusionslose und vernaschte Lebensmittelretter, die im Auftrag der »Königin der effektiven Barmherzigkeit« auf Schatzsuche sind, ein Gast, der nicht gehen will, eine Orientalistin, die ihre Meinung auf einem Psychologenkongress kundtut und dabei wenigstens satt wird, ein Eifersuchtsdrama im Altersheim, Mordgedanken am Ende einer Ehe, eine Auferstehung im Krankenhaus und einige mehr.

Wenn Lebensmittelretter unterwegs sind, ein Gast nicht gehen will, Eifersucht im Altersheim ausbricht, die Erde sich öffnet, eigenartige Einschlafgewohnheiten, Endzeitstimmungen und Fallbewegungen auftreten – dann versuchen die Protagonisten dieser Erzählungen, irgendwie durch ihren unsicher gewordenen, nicht mehr alltäglichen Alltag zu kommen. Und dann müssen sie sich arrangieren – oder den Ort wechseln.

Susanne Neuffer ist eine Künstlerin der Kurzgeschichte. In wenigen Worten erschafft sie eine Welt. Sie erzählt in dieser Sammlung von gewöhnlichen und sichtlich außergewöhnlichen Alltagssituationen. Ihre Figuren lässt sie nicht zu weit abrutschen, auch wenn sie ihnen buchstäblich schon mal den Boden unter den Füßen wegzieht. Die Schauplätze und Stimmungen der Erzählungen sind vielfältig: Neuffer, eine hervorragende Menschenbeobachterin, schildert schräge, tragikomische und tapfere Situationen.

Die 1951 in Nürnberg geborene Autorin lebt heute in Hamburg und schreibt laut eigenen Angaben »schon immer«. Inspiriert wird sie dabei sozusagen überall – denn Geschichten lauern auf der Straße, im Museum, im Laden, im ICE, am Arbeitsplatz … Ihre Figuren sind etwas ratlose, aber untragische Existenzen, die zu Täuschungen und Selbsttäuschungen neigen, sie rennen ihren Sehnsüchten hinterher und suchen sich Plätze im Ungefähren.

Die Erzählungen sind wunderbar illustriert von Yvonne Kuschel, die auf ihrer Website einige Fotos des Buches und einige der Zeichnungen zeigt.

Susanne Neuffer

Susanne Neuffer, 1951 in Nürnberg geboren, lebt in Hamburg und ist Mitglied des dortigen writers’ room. Für ihr literarisches Werk erhielt sie Literaturpreise, u. a. zeichnete sie 2021 die Akademie für das gesprochene Wort ihren Text »Topinambur oder Störung der Totenruhe« aus; ihr Gedicht »Im Reservat« wurde für die Ausstellung »Kosmos Lem« in Potsdam ausgewählt. Weiterhin erhielt sie den erostepost-Literaturpreis 2017, den Hamburger Förderpreis 2014 und den 2. Preis im MDR Kurzgeschichten-Wettbewerb 2011. Im Mai 2016 war sie Stipendiatin im Brechthaus in Svendborg. Im MaroVerlag sind bisher sechs Bücher von ihr erschienen: ein Gedichtband, drei Bände mit Erzählungen (davon einer vergriffen), ein Roman und zwei Novellen. Lyrik und Prosa von Susanne Neuffer wurde auch in Antholo­gien und Zeitschriften, u. a. in Stadtgelichter, erostepost, Hamburger ZIEGEL, Entwürfe und Manuskripte, abgedruckt. susanne-neuffer.de


Presse

»Susanne Neuffers Figuren werden von Sehnsüchten getrieben, die sie oft selbst nicht genau beschreiben können. Die vielen Aufbrüche in diesen Geschichten spiegeln diese Unruhe, doch den Reisenden ergeht es in der Fremde kaum besser als daheim. Wer zu Hause bleibt, verfällt womöglich der Versuchung, nach und nach alle Habseligkeiten dem Wertstoffhof zu übergeben. Dort werden sie Teil einer höheren Ordnung, auch wenn der ›diensthabende Afrikaner mit dem Schaffnertäschchen‹ Mühe hat, die Anweisungen für die Kategorie ›unbelastetes Altholz‹ korrekt auszusprechen. In solchen Miniaturen – der Migrant als oberster Mülltrenner - gelingt es Susanne Neuffer, Absonderlichkeiten des bürgerlichen deutschen Alltagslebens einzufangen. Verfremdung entsteht durch Genauigkeit; wie in einem Brennglas erscheint Vertrautes plötzlich bizarr. Was geht in dem Mann vor, der zum Einschlafen unbedingt die Nationalhymne hören muss? Und was ist von dem angesehenen forensischen Gutachter zu halten, der während der Abwesenheit seines Sohnes in dessen Studentenquartier einzieht, um sich noch einmal jung zu fühlen?«

Sabine Doering in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 31.8.2016

»… ihre Geschichten sind alles andere als harmlos. Sie sind im Gegenteil von einer untergründigen Sprengkraft; sie sind poetisch raffiniert ausgefeilt und zugleich sozusagen bitterkomisch …«

Frank Keil in der taz, 8.3.2017

»Eigentlich liebe ich Kurzgeschichten nicht. Ich bin eher der Typ, der dicke Romane liest – wozu selbstverständlich eigentlich die Zeit fehlt, außer im Urlaub. Kurzgeschichten sind ja immer schon vorbei, bevor sie richtig angefangen haben. Man hat als Leser überhaupt keine Zeit, die Figuren mit all ihren interessanten Macken kennenzulernen. Zudem ist es bei Kurzgeschichten vielleicht noch mehr als bei längerer Prosa vonnöten, dass der Schreibende ein Meister seines Fachs ist. Das ist wie bei Picassos Zeichnung »Don Quijote«, das mit nur wenigen Strichen die Essenz der Helden Cervantes’ einfängt. Ich will nicht behaupten, dass Susanne Neuffer ein schreibender Picasso ist, aber sie ist richtig gut.«

Andreas Stork in Stadtgespräch, 7/2016

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